Über das Projekt

Josef Reding – Autor, Werk, Netzwerk

Seine Sammlung an Manuskripten, Dokumenten und Briefen hatte Josef Reding bereits zu Lebzeiten dem Archiv des Fritz-Hüser-Instituts vermacht, die letzten Texte, Fotografien und Lebensdokumente wurden 2022 übernommen. Mit rund 160 Archivkartons handelt es sich um unser größtes Nachlasskonvolut. Darin enthalten ist eine ungeordnete, aber umfangreiche Sammlung von Briefen, Textentwürfen, Manuskripten, Typoskripten, Zeitungsartikeln, Notizen, Kalendern und Fotografien, zudem zahlreiche Rechnungen und Verträge. Materialsammlungen zum Ruhrgebiet sowie zu Redings Arbeitsfeldern (wie Völkerverständigung, soziale Ungleichheit, Rassismus) zeugen von seinen Recherchen und Arbeitspraktiken.

Josef Reding, Foto: Dieter Menne

Der Literaturbetrieb

Bedeutend ist dieser Nachlass nicht nur aufgrund seiner nahezu geschlossenen Vollständigkeit, sondern auch aufgrund der darin enthaltenen 70 Ordner Korrespondenz, die Josef Reding einerseits mit Kolleg:innen, Freund:innen, Mitgliedern des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Herausgeber:innen und Redaktionen führte, andererseits mit Schüler:innen, denen er bei seinen zahlreichen Lesungen und Schreibwerkstätten begegnet ist. Er ermutigt sie im Alltag, liest und kommentiert eingesandte Gedichtversuche.

Einladungen, Anfragen und ein umfangreiches Konvolut von Zuschriften aus knapp sechs Jahrzehnten lassen Rückschlüsse auf die Rezeption Redings zu – und auf die Arbeit, die das Leben eines Schriftstellers begleitet. Der Nachlass zeigt nicht nur ein äußerst produktives und facettenreiches Autorenleben; vielmehr wird darin Josef Reding als unermüdlicher Fürsprecher und Initiator, als ernster Mahner und aufmerksamer Beobachter seiner Gegenwart sichtbar.

Schreiben und Leben

Auch über Redings Lebensmittelpunkte abseits der Schriftstellerei gibt der Nachlass Aufschluss, so über die Organisation des Familienlebens mit seiner Frau und den drei Söhnen. Und immer wieder: Berechnungen, Abrechnungen, Nachrechnungen. Das finanzielle Haushalten zieht sich durch alle Lebensjahre. Die Frage danach, wie es sich vom Schreiben leben lässt, hat in den letzten Jahren wieder Einzug in die feuilletonistischen Debatten gefunden – für Reding war dies ein Lebensthema. Er engagierte sich bei der Künstlerhilfe und beriet jüngere Autor:innen geduldig bei Vertragsverhandlungen.

Der Nachlass bietet damit einen einmaligen Blick in den Literaturbetrieb der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und stößt Fragen über die Prekarisierung von Schriftsteller:innen an. Die verschiedenen Nachlassdokumente verschalten sich vor allem über Redings unermüdliches Engagement für seine Mitmenschen, das er höher schätzte als die literarische Produktion. In einem seiner Gedichte fragt Reding:

Noch schreiben?

aus dem fremden // preforierten himmel // fädelt sich // müdes wasser. // schreib so nicht! // schreib: // es regnet. // das bekommt // der sprache. // oder schreib: // es regnet // und der da // hat kein // dach. // das bekommt // dem, // der kein // dach hat // oder: // schreib nichts // mehr. // bau ein dach!

Vorarbeiten zu Noch schreiben? aus dem Nachlass

Der Nachlass

Das Schreiben blieb dennoch im Zentrum. Auf den ersten Blick zeugt Redings Nachlass dabei weniger von Ordnungsstrukturen als von Momentaufnahmen: Er schrieb auf Rückseiten von Pressemitteilungen, auf Papierschnipsel und an den Rand von Rechnungen. Thematisch sortierte Ordner oder zusammenhängende Notizbücher finden sich kaum. Nicht selten verteilen sich Arbeitsstufen eines einzigen Gedichts auf unterschiedlichste Fundorte, einzelne Seiten sind in Mappen, Ordner, Stapel gerutscht, wurden überschrieben oder zerknüllt. Der Nachlass enthält demnach nicht nur fertige Typoskripte und ausgearbeitete Entwürfe, sondern auch kleinste Mitschriften und Notizen. So lassen sich Entstehungsprozesse detailliert nachverfolgen. Mitunter kamen Reding erste Gedanken auf öffentlichen Veranstaltungen, sodass sich der spontane Aufschlag eines Gedichts auf der Rückseite eines Programms befindet. Überarbeiten, Umschreiben, Neuschreiben: All diese Praktiken werden in der Zusammenschau und Sortierung des Nachlasses sichtbar.

Der Abgleich mit Redings publizierten Werken und sorgsame Lektüre ermöglichen die Zusammenführung zerstreuter Dokumente, das Erstellen sinnvoller Konvolute sowie die archivarische Einzelblattverzeichnung. Diese Arbeiten haben den Schwerpunkt des Projekts im ersten Viertel der Laufzeit gebildet.

Sie haben nicht nur die öffentliche Zugänglichkeit und Nutzbarmachung der Sammlung zum Ziel, sondern sollen künftige philologische Erforschungen des Werks ermöglichen und das Material weitestgehend vor dem Verfall schützen. Ein Findbuch wird die zukünftige Arbeit am Bestand erleichtern.

Auch die Bibliothek Redings ist in den Besitz des Fritz-Hüser-Instituts übergegangen und wird als geschlossene Sammlung verwahrt und zugänglich gemacht. Die vielen Widmungsexemplare geben Einblick in Redings literarisches Netzwerk.

Die Möglichkeit, seinen Lesespuren zu folgen, ist philologisch aufschlussreich. Als literarische Begleiter nannte Reding stets Ernst Jünger und die Bibel. In seinem Arbeitszimmer unterm Dach seines Dortmunder Hauses stapelten sich allerdings Bücher aus unterschiedlichsten Genres nach einem eignen Ordnungssystem, das die Bibliothek als Arbeitsinstrument sichtbar werden lässt.

Reding schrieb auch Lieder und drehte Dokumentarfilme. Die TV-Arbeit sicherte seine Existenz, ermöglichte aber ebenso die Beschäftigung mit Themen, die Reding dann literarisch bearbeitete. In enger Zusammenarbeit mit seinen Angehörigen reichern wir die Reding-Sammlung des Fritz-Hüser-Instituts an. Dazu gehört die Anschaffung alter Fernsehfilme ebenso wie der Ankauf von Kinder-Jazzplatten, für die Reding die Texte schrieb.

Das Blog

Schreiben ist bei Reding immer Kommunikation mit Rezipient:innen, mit sich selbst als Künstler, Kommunikation innerhalb des Werkes, mit Werken Anderer, mit inspirierenden historischen Vorbildern, mit der Gesellschaft. Schreiben ist aber auch Engagement: ein Werkzeug der Selbstermächtigung und des Sichtbarmachens.

Die Beiträge auf diesem Blog sollen Redings Schaffen in die digitale Welt transportieren: Autor:innen und Texte treten miteinander in Beziehung und werden als kommunikatives Netzwerk sichtbar.

Manche der Autor:innen haben Redings Kurzgeschichten bereits in der Schule gelesen, andere lernen sein Werk gerade erst kennen. Die Beiträge verhalten sich analytisch, kritisch und ergänzend zu Redings Texten. Sie fragen etwa nach seinem Verständnis von sozialer Klasse, ergründen seine Beziehung zum Ruhrgebiet und entwickeln neue Perspektiven auf Rassismus. Mit dem Blog möchten wir auch Reding in seiner Multimedialität gerecht werden und seine Filme wie Lieder ausschnittweise zugänglich machen.

Das Projekt wird von Kyra Palberg und Jannick Griguhn bearbeitet, die auch dieses Blog kuratieren. Gefördert wird das Projekt von der Kunststiftung NRW.

Über das Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt

Das Fritz-Hüser-Institut ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die sich der Erforschung, Sammlung und Vermittlung der Literaturen der Arbeitswelt vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart widmet und diese der Forschung wie der interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht.

Das Institut beherbergt ein literarisches Archiv und eine Spezialbibliothek. Entstanden ist das Fritz-Hüser-Institut aus der archivischen und bibliothekarischen Privatsammlung Fritz Hüsers. Er übergab seine Sammlung 1973 der Stadt Dortmund.